Sorgerecht und Umgangsrecht stellen unterschiedliche Verfahrensgegenstände dar, die in eigenständigen Verfahren zu behandeln und zu entscheiden sind. Schon wegen der Verschiedenheit der Verfahrensgegenstände kann eine gerichtlich gebilligte Umgangsregelung einer Sorgerechtsregelung nicht entgegenstehen oder dieser vorgreiflich sein.
Gegenstand des Verfahrens war das Sorgerecht für das im September 2017 geborene betroffene Kind.
Die Eltern heirateten im September 2016. Die Ehe wurde im Dezember 2018 geschieden. Betreffend das Sorge- und das Umgangsrecht fanden mehrere Verfahren statt. Zuletzt wurden dem Kindesvater bei im Übrigen fortbestehender gemeinsamer Sorge im August 2021 mit Zustimmung der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Bestimmung des Kindergartens übertragen. Zugleich trafen die Eltern eine familiengerichtlich gebilligte Umgangsregelung, die einen wöchentlichen Umgang der Kindesmutter von Donnerstagnachmittag bis Montagvormittag vorsah.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht der Kindesmutter auf deren Antrag die Teilbereiche „schulische Angelegenheiten“ und „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ übertragen. Auf die Beschwerde des Kindesvaters hat das Oberlandesgericht diesem auf seinen Antrag die alleinige elterliche Sorge übertragen. Dagegen hat die Kindesmutter die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit welcher sie die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich anstrebt.
Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, ob die im Jahr 2021 vereinbarte und gerichtlich gebilligte Umgangsregelung einer Sorgerechtsentscheidung entgegenstehen könne, ist zu verneinen.
Sorgerecht und Umgang stellen unterschiedliche Verfahrensgegenstände dar, die nach der eindeutigen gesetzlichen Konzeption in eigenständigen Verfahren zu behandeln und zu entscheiden sind. Schon wegen der Verschiedenheit der Verfahrensgegenstände kann eine gerichtlich gebilligte Umgangsregelung einer Sorgerechtsregelung nicht entgegenstehen oder dieser vorgreiflich sein. Während die Sorgerechtsentscheidung eine Regelung der rechtlichen Befugnisse der Elternteile enthält, betrifft eine gerichtliche Umgangsregelung (nur) die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge. Das spiegelt sich auch in deren Rechtsfolgen wider. Während die Sorgerechtsentscheidung rechtsgestaltend wirkt und einer Durchsetzung nicht bedarf, ist eine Umgangsregelung vollstreckbar.
Eine Sorgerechtsregelung, die – wie hier – bei gleichzeitig bestehender Umgangsregelung das Sorgerecht einem Elternteil allein überträgt, wird folglich durch die Umgangsregelung selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn diese im Ergebnis auf eine paritätische Betreuung (Wechselmodell) gerichtet ist, da dies nichts am unterschiedlichen Rechtscharakter der beiden Gegenstände ändert.Dementsprechend wird umgekehrt eine Umgangsregelung auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass der umgangsberechtigte Elternteil nicht (mit-)sorgeberechtigt ist. Es widerspricht folglich nicht der Sorgerechtsentscheidung, wenn der Umgang in diesem Fall vom Familiengericht gegen den Willen des allein Sorgeberechtigten geregelt wird. Vorrangiger Maßstab der jeweiligen Entscheidung zum Sorgerecht wie zum Umgangsrecht ist das im konkreten Fall und bezogen auf den jeweiligen Verfahrensgegenstand festzustellende Kindeswohl.Auf die vom Beschwerdegericht für eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil angeführte Voraussetzung, dass die Eltern das paritätische Wechselmodell einvernehmlich nicht mehr praktizieren, kommt es demnach nicht an.